An(ge)dacht zum 20. Sonntag nach Trinitatis

Jubel im Paradies

Der Evangelist Markus überliefert uns im 10. Kapitel seines Evangelium den Standpunkt Jesu hinsichtlich der damaligen üblichen Praxis der Ehescheidung. (Markus 10, 1 -12) Anlass war eine Anfrage von seitens der Pharisäern, die seine Beurteilung über diese Praxis in Erfahrung bringen wollten. Jesus begegnete ihrem Anliegen zunächst mit einer Gegenfrage: „Was hat euch Mose geboten?“ Sie antworteten ganz korrekt: „Mose hat erlaubt, eine Scheidungsurkunde zu schreiben und zu entlassen.“ Daraufhin entgegnete Jesus ihnen: „Wegen eurer Hartherzigkeit schrieb er euch dieses Gebot.“

Damit nannte Jesus nicht nur das Motiv, das zu der Entstehung dieses Gesetzes geführt hatte, sondern er deckte damit auch auf, dass es sich dabei lediglich um ein Zugeständnis handelt. Ein Zugeständnis das aufgrund der Hartherzigkeit notwendig wurde. Mit Hartherzigkeit attestierte er ihnen eine Form der Verschlossenheit für die Güte und den Willen Gottes. Aber welche konkrete Güte hatte Jesus dabei im Blick?

Die Fortsetzung der Antwort Christi gibt uns darauf eine Antwort. Er sagte zu ihnen: „Von Anfang der Schöpfung aber: männlich und weiblich schuf Er sie. Deshalb wird ein Mensch seinen Vater und Mutter verlassen und die zwei werden ein Fleisch sein, so dass sie nicht mehr zwei sind, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll ein Mensch nicht trennen.“ Ich möchte seiner Argumentation folgen, indem ich mich noch einmal an diese Anfänge erinnern lasse. Wenn ich in den ersten Kapitel der Genesis lese, dann lerne ich den Menschen kennen, wie er umgeben ist von den Tieren, die mit ihm gemeinsam im Garten Eden leben.

Aber – so lese und lerne ich auch: die Tiere waren für den Menschen kein entsprechendes Gegenüber. Und das bedeutete für ihn: Der Mensch war einsam im Paradies und wird uns somit als das bedürftigste Geschöpf vorgestellt. Nur durch eine neue Schöpfung war ihm aus dieser Not zu helfen Und so reagierte Gott in seiner Güte auf diese Einsamkeit und schuf ihm ein Gegenüber, das zu ihm passt. Daraufhin brach Jubel im Paradies aus: Endlich – endlich bin ich nicht mehr allein! Endlich habe ich jemanden, mit dem ich mein Leben teilen kann. Endlich habe ich jemanden, der mir dazu verhilft, zu erkennen, wer ich bin.

Diesen paradiesischen Jubel werden all jene verstehen, die Einsamkeit in ihrem Leben erfahren haben. Die Kehrseite dieses Jubels ist der Schmerz, den Einsamkeit im Herzen eines Menschen hervorruft. Es ist – so verstehe ich die Antwort Christi mit Blick auf die Schöpfungsgeschichte – doch als eine gute Gabe Gottes, ja als Ausdruck seiner Güte dankbar zu betrachten, dass er den Menschen ein Gegenüber geschaffen hat, mit dem er gemeinsam sein Leben bewältigen kann. Der Mensch kann nun eine personale Beziehung zu einem Geschöpf eingehen, dass ihm / ihr ähnlich ist.

Daran erinnerte Christus m. E. seine Gesprächspartner, als er ihre Aufmerksamkeit auf die Schöpfungsgeschichte lenkte. Sicher: Fakt war und ist: diese gute Gabe Gottes kann verworfen werden, wird immer wieder verworfen – ja, es ist erlaubt! Allerdings muss diese Praxis der Ehescheidung biblisch lediglich als ein Zugeständnis aufgrund einer menschlichen Schwäche betrachten werden. Da es sich um ein Zugeständnis handelt, wird gleichzeitig zugegeben, dass der Jubel über die eröffnende Möglichkeit einer lebenslange Verbindung, zu recht ertönt.

Jesu Antwort auf die Frage der Pharisäer lautet in meinen Worten: Schätzt den Wert nicht gering, den die Beziehung zu einem Menschen darstellt, der sich euch anvertraut hat und dem ihr euch verbunden habt.

Amen

Pfarrerin Gabriele Steinmeier