An(ge)dacht zum 1. Sonntag nach Epiphanias

                                                                            

    Liebe Leserin und lieber Leser!

Die Weihnachtsgeschichte haben wir noch im Ohr: Die Stimmen aus dem Himmel, das Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens, die Geburt Jesu im Stall von Bethlehem. Dann die Fortsetzung mit der Flucht nach Ägypten und die Rückkehr, nachdem die Gefahr durch König Herodes für die heilige Familie vorüber ist. Und sofort geht es im Matthäusevangelium 3,13-17 mit großen Schritten weiter, jetzt in der Epiphaniaszeit. In diesem für heute zugeordneten Text begegnen wir sogleich dem erwachsenen Jesus, der sich von Johannes taufen lassen möchte:

13 Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. 14 Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? 15 Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt zu! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er’s ihm zu. 16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. 17 Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Jesus kommt zu Johannes in der Absicht getauft zu werden. Doch Johannes versucht ihn daran zu hindern und begründet das mit dem Hinweis auf seine Unterordnung: „Ich hätte es nötig, von dir getauft zu werden, und du kommst zu mir?“ Du bist hier verkehrt, Jesus! Eigentlich müsste es anders herum sein und ich müsste mich von dir taufen lassen! Hier stellt sich die uralte Frage, die sich den christlichen Hörer*innen des Evangeliums aufdrängt: Warum kommt der „Stärkere“ zum „Schwächeren“?

Darauf Jesus: „Lass es zu, jetzt! Denn auf diese Weise erfüllen wir alle Gerechtigkeit Gottes.“

Diese Antwort ist aus zwei Gründen wichtig. Es ist das erste Wort überhaupt, das Jesus im ganzen Evangelium in direkter Rede sagt. Und: Mit dem Wort Gerechtigkeit bekommt die Aussage ein besonderes Gewicht, um das es Matthäus in seinem Evangelium geht. Damit eröffnet Jesus ein großes Thema. Denn Gerechtigkeit tun ist ja nichts Theoretisches, sondern eine Lebensform, eine konkrete Haltung: Sie zeigt sich an einem fairen Umgang miteinander; sie zeigt sich daran, dass Menschen gütig sind, bescheiden, gewaltlos, geduldig, selbstkritisch, vergebungsbereit, loyal. In seiner Bergpredigt führt Jesus aus, wie dieses Tun der Gerechtigkeit im einzelnen aussieht.

Gerechtigkeit tun heißt sich an Gottes Wort halten, gemäß seiner Gebote zu leben. Gerechtigkeit tun ist Gott die Ehre geben und seinen Namen rühmen. Also das, was auch immer in unseren Gottes-diensten vorkommt in den Psalmen, Liedern, Gebeten usw. Wo wir dies immer wieder einüben, um es in den Alltag mitzunehmen und uns bemühen es zu praktizieren.

Die Gerechtigkeit, von der Jesus spricht, weist über ihn selbst hinaus. „Auf diese Weise erfüllen wir die ganze Gerechtigkeit Gottes“ sagt Jesus. Damit meint er nicht nur sich selber und den Täufer, sondern das ganze Gottesvolk, alle Nationen. Alle, die auf den Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft sind. Alle, die zur großen Familie Gottes gehören, sind mitgemeint. Alle sind aufgefordert sich an diesem Werk zu beteiligen. Wenn Jesus von Gerechtigkeit redet, dann sind auch wir mit drin: Da werden wir als Hörende zu Adressaten seiner Rede.

Das Schöne finde ich dabei: Jesus reiht sich selber mit ein! Er, der ganz auf der Seite Gottes steht, der vermeintlich schon gerecht ist und alles schon kann, er stellt sich auf die Seite der Menschen. Darum sagt Johannes vorher: Du hast es doch gar nicht nötig dich taufen zu lassen, weil du schon vollkommen bist in allem. Durch seinen Wunsch getauft zu werden macht er deutlich, dass er auch „nur“ ein Mensch ist, genauso bedürftig wie alle. Er reiht sich ein in die Menge derer, die dem Umkehrruf des Johannes folgen.

Jesus taucht im Matthäusevangelium voll und ganz in die Geschichte der Menschen ein. Er lernt, er folgt nach, er stellt sich auf die Seite des Volkes und unterstellt sich dem Willen Gottes. Diese Solidarität wird durch seine Taufe konkret. Der Immanuel, dieser Gott-mit-uns, wie er vor der Geburtsgeschichte in Matthäus 1 genannt werden soll, ist im wahrsten Sinne des Wortes mit uns!

Er spricht nicht von oben herab, sondern er begibt sich auf Augenhöhe, wie wir heute sagen. Er weckt die Sehnsucht nach einer Form von Gerechtigkeit, die auch für ihn selbst verbindlich ist.

Die Erfüllung dieser Sehnsucht war zu seiner Zeit überall verbreitet bei seinen Volksgenossen: 90% der jüdischen Bevölkerung zählten damals zu den Ärmsten. Das ist von Bibelwissenschaftlern und Historikern nachgewiesen. Hunger und soziales Elend waren tagtäglich ein großes Problem. Die Menschen hofften, dass Gott durch das Auftreten Jesu sein Reich auf der Erde errichtet. Viele teilten die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, die auch Jesus hatte. Vor diesem Hintergrund sehe ich die Bedeutung seiner Taufe.

Die Taufe selber wird ziemlich beiläufig erzählt: in Vers 16a, siehe oben. Doch das zweimalige „und siehe da“ lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Ereignisse nach der Taufe: Der Himmel öffnet sich und Jesus sieht Gottes Geist wie eine Taube auf sich herabkommen.

Die Stimme von oben sagt: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“

Sofort fallen mir die Engelsstimmen aus der Weihnachtsgeschichte des Lukas ein mit ihrem himmlischen Gesang „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Auch hier kommt die alte Sehnsucht vom Frieden in der Welt zum Vorschein, die mit der Geburt Jesu verknüpft wird.

Die Erzählung von der Taufe Jesu scheint ganz selbstverständlich und „normal“ zu sein. Die gehört halt auch zum Anfang des Evangeliums, meint man. Bei genauerem Hinsehen entdecken wir, wie die Dinge innerbiblisch zusammengefügt sind und sich aufeinander beziehen.

Darum springe ich auf der Suche nach Erklärungen öfter mal von einer Geschichte zur anderen – immer nach dem Prinzip: Die Bibel legt sich selber aus! Das hilft mir nachzuvollziehen, was in diesem Fall Matthäus sagt. Hier komme ich zu dem Ergebnis, dass die Tauferzählung vor dem Hintergrund der Weihnachtsgeschichte und der alttestamentlichen Texte dieselbe Intention haben:

Wie ein roter Faden zieht sich die Vision von Gerechtigkeit in der Welt durch sie hindurch, vom Frieden auf Erden und einem intakten sozialen Zusammenleben. Die Geschichten laden dazu ein, sie fordern dazu auf in diesem Sinne Buße zu tun, umzukehren und Gott „behilflich“ zu sein, damit sein Wort gehört und getan wird und dass er in der Welt erscheint.

So geschieht Epiphanias, die Erscheinung des Herrn. Auch heute.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Epiphaniaszeit!

   Ihr Andreas Smidt-Schellong

Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude;
A und O, Anfang und Ende steht da.
Gottheit und Menschheit vereinen sich beide;
Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah!
Himmel und Erde, erzählet’s den Heiden:
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freuden.

   Lied EG 66, 1

Bild:   Taufe Jesu im Jordan, Mosaik in Hosios Lukas       © CCO/wikimedia