An(ge)dacht am Ostersonntag, den 4. April 2021

von Pfarrer Andreas Smidt-Schellong

Matthäus 28,1-10
Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria Magdalena und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Erscheinung war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee. Die Wachen aber erbebten aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot. Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt und seht die Stätte, wo er gelegen hat; und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern: Er ist auferstanden von den Toten. Und siehe, er geht vor euch hin nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen. Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder. Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen.

Liebe Gemeinde,

„Der Herr ist auferstanden. Halleluja!“ Rund um den Globus erschallt dieser Jubelruf an Ostern. Bis heute. Das Grab ist leer. Das Leben ist stärker als der Tod. Der Tod ist überwunden, ja, er verwandelt sich in Sieg, wie Paulus sagt. Seitdem breitet sich die freudige Nachricht überall aus in der Welt. „Der Herr ist auferstanden. Halleluja!“

Die Osterfreude und das sprichwörtliche Osterlachen kommen allerdings mit Verzögerung. Denn die großen Dinge in der Bibel beginnen nicht mit lauten Jubelrufen und Halleluja-Gesang, sondern: mit Angst und Furcht.

Nehmen wir die Hirten aus der Weihnachtsgeschichte, die in der heiligen Nacht auf dem Feld vom Engelschor überrascht werden mit dem himmlischen „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden“. (Lk 2,14) Ihre erste Reaktion ist „Und sie fürchteten sich sehr“ (Lk 2,9), bevor sie durch das Laufen in Bewegung kommen und das Kind in der Krippe finden.

Oder auch an Pfingsten: Schrecken und Entsetzen erfasst die Menschen, die das unglaubliche Sprach-wunder erleben. Orientierungslos und irritiert fragen sie: „Was soll bloß daraus werden?“ (Apg 2,12)

Wunder brauchen ihre Zeit, um zu wirken. Das dauert eine Weile. Man muss sich zuerst die Augen reiben, bis der Funke überspringt. Bis man zu begreifen anfängt, was da mit einem geschieht.

Maria Magdalena und die andere Maria, die Jesus nahestanden, machen sich früh am Ostermorgen auf. Sofort nachdem der Sabbat vorüber ist und der erste Tag der Woche anbricht, kommen sie, „um nach dem Grab zu sehen“, um dem toten Jesus ein letztes Mal nahe zu sein, um seinem Leichnam etwas Gutes zu tun.

In aller Frühe brechen sie auf und haben keine Ahnung, dass sie längst zu spät sind. Denn Gott kommt den Frauen zuvor. Er öffnet die Tür zwischen Lebenden und Toten. Auch Gott will Jesus nicht dem Tod überlassen, genauso wenig wie sie. Doch sie brauchen nicht mehr zu tun, was sie vorhatten: von Jesus den Geruch des Todes nehmen und ihn zum Geruch des Lebens salben. Gott ist schon vorher da. Das Grab ist leer. Für sie gibt es hier nichts mehr zu tun.

Stattdessen werden sie Zeuginnen von einem großen Erdbeben. (V 2) Sogar die Naturkräfte rebellieren gegen den Tod – ein zweites Mal, wie schon beim Sterben Jesu in seiner Todesstunde. (Mt 27,52)

Der Ostermorgen erschüttert die Welt! Alles gerät in Aufruhr: Das Leben will leben!

Ein Engel Gottes, auf den am Kreuz Jesu alle gewartet hatten, erscheint vom Himmel. Endlich! Er wälzt den Stein vom Grab weg und setzt sich darauf. Als ob er ihn damit festhalten und bannen will, damit er nicht wieder zurückrollt vor das Grab, in das ihre Hoffnung gelegt war. Als ob er den beiden Frauen damit beweist: Seht selbst, die Grabhöhle ist leer!

Der Engel nimmt den beiden Frauen als erstes die Angst. „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt und seht die Stätte, wo er gelegen hat.“ (V 5-6)

Während die Erde erbebt, erbeben die Wachen, die auf das Grab aufpassen, auf ihre Weise und erstar-ren vor Schreck. „Sie erbebten aus Furcht vor dem Engel und wurden, als wären sie tot.“ (V4) Sie be-kommen nicht mehr mit, wie das Leben sich Luft verschafft. Ausgerechnet sie, die keine Angst hatten Jesus zu töten, fallen nun vor Angst wie tot um, als sie den Botschafter der Auferstehung sehen.

Die beiden Frauen dagegen sehen und hören etwas Wunderbares:

Das Leiden und Sterben Jesu am Kreuz, sein Tod und sein Grab sind nicht das letzte Wort und der Schlusspunkt seiner Geschichte. Und sie sind erst recht nicht der Schlusspunkt der Geschichte Gottes mit den Menschen. Auch heutige Leidens- und Kreuzerfahrungen sind nicht mit einem Mal beendet. Aber es gibt Hoffnung. Hoffnung auf neues Leben: Es geschieht ein Aufstand gegen alles, was Leben gefährdet und verhindert. Ostern ist der Aufstand gegen die Macht des Todes in einer unerlösten Welt. Der Herr ist auferstanden!

Die Frauen gehen eilends weg vom Grab – mit Furcht und großer Freude. Denn wer nur ins leere Grab sieht, der blickt ins Leere, ins Nichts. Aber nicht die Leere und das Nichts sind die Blickrichtung, sondern der Weg vom Grab: der Weg nach Galiläa, der Weg nach Hause, mitten ins eigene Leben.

Sie erzählen es den Jüngern, reißen sie mit – und begegnen dem Auferstandenen. Er lässt sich dort suchen und finden, wo die Frauen, wo die Jünger, wo wir herkommen und hingehören.

Sie gehen dorthin, wo das Leben ist. Sie machen den Anfang und verkünden die frohe Botschaft:

Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!

Halleluja!

EG 107, 1-3

1. Wir danken dir, Herr Jesu Christ,
dass du vom Tod erstanden bist
und hast dem Tod zerstört sein Macht
und uns zum Leben wiederbracht. Halleluja.

2. Wir bitten dich durch deine Gnad:
Nimm von uns unsre Missetat
und hilf uns durch die Güte dein,
dass wir dein treuen Diener sein. Halleluja.

3. Gott Vater in dem höchsten Thron
samt seinem eingeborenen Sohn,
dem Heiligen Geist in gleicher Weis
in Ewigkeit sei Lob und Preis! Halleluja.

Ich wünsche Ihnen fröhliche, gesegnete Ostern!

 Ihr Pfarrer Andreas Smidt-Schellong