„Arche-Noah-Post“ am 4. Mai 2020

von Gisela König, Gemeindeglied in Herford-Mitte
Foto: Oscar Wilde, Aufnahme von Napoleon Sarony 1882

Nichts tun ist die allerschwierigste Beschäftigung und zugleich diejenige, die am meisten Geist voraussetzt.

Diesen Spruch von Oscar Wilde las ich auf dem Kalenderblatt für den heutigen Tag. Freunde haben mir diesen Kalender zu Weihnachten geschenkt. Neben dem Bibeltext für den Tag steht auf der Rückseite auch immer ein etwas anderer Text, der zum Nachdenken anregt.
Zu meinem morgendlichen Ritual gehört es, neben der Andacht auf dem Neukirchener Abreißkalender auch dieses Kalenderblatt zu lesen.

Es überrascht mich immer wieder, wie in besonderen Situationen mir die Texte  besonders treffend erscheinen, so, als wären sie genau für diese Situation geschrieben. Zufall?! oder steckt eine höhere Absicht dahinter, die im Voraus weiß, was genau für diesen Tag wichtig ist? Ich glaube das nicht. Ich denke vielmehr, ich selbst bin gerade jetzt dafür besonders empfänglich und das macht mich dankbar, dass ich das auch so erkennen kann.

Der Spruch von Oscar Wilde hat mich sehr nachdenklich gemacht. Für mich hat nichts tun nichts mit Langeweile zu tun. Ich brauche diese Ruhe und Stille, um mich wieder auf das Wesentliche zu besinnen.
Unser Leben hat sich so drastisch verändert, wie wir es uns nie haben vorstellen können. Es fällt mir schwer auf den Kontakt mit Freunden und Besuchen von Verwandten zu verzichten. Der sonntägliche Kirchgang, die Gemeindekreise, Verabredungen zu Veranstaltungen usw. fehlen mir sehr. Und manchmal tue ich mir auch schrecklich leid, weil ich allein lebe und mich niemand besuchen kommt. Und wenn dann noch das Fernsehprogramm plötzlich mitten in der Lieblingsserie ausfällt, weil es eine Störung in der Leitung gibt, ist es um meine Fassung geschehn. Da braucht es eine Weile, bis ich wieder klar denken kann. Schön, wenn dann die Nachbarin anruft und fragt, ob ich auch keinen Empfang habe. Schon ist das Problem nicht mehr so groß. Ich kann wieder klar denken und mir wird bewusst, wie gut ich es doch habe. Ich habe Telefon, Internet, Fernsehen, Nachbarn, mit denen ich wenigstens auch am Telefon über auftauchende Probleme reden kann. Es sind gerade die kleinen Dinge, die das Leben lebenswert machen. Die Blumen, die auf meinem Balkon blühen, meine schöne große Wohnung, das schöne Wetter und ich kann lange Spaziergänge machen, ich kann lesen und dabei vor langer Zeit gelesene Bücher wieder neu entdecken.

Während ich meine Gedanken aufschreibe, fällt mir plötzlich der Liedvers „… in wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet“ ein, der mir in schwierigen Zeiten Trost gespendet hat. Darauf will ich auch jetzt vertrauen.

Gisela König