von Klaus Lobe, Dipl.-Sozialarbeiter und Diakon in Böckmanns Laden, Lutherhaus
Lutherhaus läutet…
Seit dem 19. März läuten in Herford die Glocken der evangelischen Kirchen. Wie sehr dieses Geläut viele Menschen berührt, konnte man am ersten Wochenende dieser Aktion erleben. Da hat nämlich jemand das Gerücht in die Welt gesetzt, dass in ganz Deutschland und Italien um 21.00 Uhr die Kirchenglocken läuten würden. Man solle als Zeichen der Verbundenheit eine Kerze anzünden und die Nachricht an möglichst viele Menschen weiterleiten. Das wurde eifrig gemacht. In meinem Smartphone herrschte Hochbetrieb. Ich habe diese Nachricht innerhalb weniger Stunden fünf Mal bekommen und in jeder Nachrichtengruppe, in der diese Nachricht auftauchte, wurde eifrig diskutiert. Die Sache hat elektrisiert und es gab viel Vorfreude. Glocken berühren unser Herz. Das warme Licht einer Kerze auch.
In vielen Gesprächen seither haben mir Menschen bestätigt, dass ihnen das allabendliche Glockenläuten wichtig ist. Dass es Verbundenheit spüren lässt. Verbundenheit mit denen, die einem wichtig sind. Von denen man zwar räumlich getrennt ist, von denen man aber weiß, dass sie jetzt auch Glocken hören. Und der Klang der Glocken gibt der Hoffnung einen Ort, dass da draußen auch Menschen sind, die jetzt an mich denken.
In den ersten Wochen hat sich das Lutherhaus nicht an diesem Glockengeläut beteiligt. Es herrschte die Überzeugung, dass das nicht geht. Die Glocke des Lutherhauses lässt sich nämlich nicht programmieren. Es muss jeden Abend jemand den Schalter betätigen.
Zu Ostern kam allerdings Bewegung in die Sache. Pfarrer Andreas Smidt-Schellong hielt es für angemessen, dass das Lutherhaus sich an diesem hohen Fest am allgemeinen Geläut beteiligt und hat die Glocke angestellt. Ziemlich zeitgleich gab es in der Besucherschaft von Böckmanns Laden Überlegungen, ob man das allabendliche Läuten nicht gemeinsam schultern kann. Wir haben schließlich schon oft erlebt, dass wir als Gemeinschaft Dinge schaffen, die für eine einzelne Person sehr mühselig sind. Also haben wir einen Dienstplan gemacht und seitdem ist das Lutherhaus dabei.
Für uns gab es dabei eine überraschende Erkenntnis: Wir sind mit der Haltung „geteiltes Leid ist halbes Leid“ gestartet. Aber da ist kein Leid. Im Gegenteil, wir fühlen uns ein bisschen beschenkt. Diese Aktion gibt uns ein kleines Stück von dem zurück, was wir im Moment so schmerzlich vermissen, das gemeinsame Tun. Nicht zur gleichen Zeit am gleichen Ort, aber doch irgendwie vereint.
Die Glocke des Lutherhauses hat keine große Reichweite und erklingt, weil es im Haus keine regelmäßigen Gottesdienste gibt, nur selten. Viele werden sie lange nicht gehört haben. Deshalb haben wir ihr in diesem Beitrag eine kleine Bühne bereitet und sie darf eine reichliche Minute im Internet läuten. In dieser Zeit kann man diejenigen sehen, die sie Abend für Abend klingen lassen.
Klaus Lobe